Der Schock war beträchtlich beim diesjährigen Check des Unterwasserschiffes am Ende des Sommertörns 2014.
Geplant war lediglich ein Hochdruckreinigen des Unterwasserschiffes mit anschließendem Antifouling-Anstrich, um dann das Boot wieder ins Wasser an den Liegeplatz zu bringen. Weiterhin geplant war ein Rudercheck, nachdem beim Stöbern im Netz ein interessanter Artikel über Ruderaufbau und Funktion dort ein regelmäßiger Check auf Wassereintritt im Ruder empfohlen wird: „…If your rudder does not drip, that doesn’t necessarily mean it is dry inside. It is almost always enlightening to drill into the interior of the blade at or near the bottom. Do this with a battery-powered drill so you don’t get electrocuted when water comes trickling out….”
Eine 5mm-Testbohrung an der Ruderunterseite offenbarte unerwartet tropfendes Wasser. Nach Gesprächen mit zahlreichen Seglerkollegen soll das ein Standardproblem vieler Ruder sein und zwar nicht nur bei Bavaria-Eignern.
Zur besseren Beurteilung der Lage wurde an der Unterseite mit der Flex und Fächerscheibe ein Stück Laminat komplett freigelegt. Ergebnis: Der Schaum intern war moderig und nass, es roch nach Säure, somit Verdacht auf Osmose. Und ein Klopftest am Ruderblatt hörte sich an verschiedenen Stellen hohl an, was eine Delamination zwischen Schale und der Schaumfüllung vermuten ließ, wobei dieser Test kein wirklich belastbares Resultat liefern kann, im vorliegenden Fall aber tatsächlich zutraf.
Testöffnung an der Unterseite | freigelegtes tropfendes Laminat |
Die Hoffnung auf ein Austrocknen durch die freigelegte Öffnung wurde schnell aufgegeben. Und wie sich später zeigte: Niemals kann ein Ruder durch ein paar Löcher richtig austrocknen, wenn es einmal Wasser gezogen hat, auch nach monatelanger Lagerung in einer Sauna, denn die Feuchtigkeit findet nicht überall den Weg nach außen, s. dazu Fotos weiter unten.
Jetzt war klar, das Ruder unserer inzwischen 8 Jahre alten Bavaria 37cr muss von Grund auf saniert werden.
Demontage und Zerlegung des Ruderblatts
Im Netz findet man zahlreiche Informationen zur Problematik, hilfreich auch ein pdf-File für Epoxyarbeiten. Neuerdings gibt es auch einen Bericht im Palstek, Heft-Nr. 6 - 14, Jahrgang 2014, wobei dort ein Ruderneubau im Schwerpunkt beschrieben wird im Gegensatz zu einer hier beschriebenen Rudersanierung. Die kritische Stelle von Spatenrudern bildet die Zone am Wellenaustritt, denn dort sind die Kräfte am höchsten. Ein Absenken des Ruders um einige cm ist noch ohne großen Aufwand möglich. Es offenbarte die Ursache der Undichtigkeit: Ein Haarriss an der Oberseite, wo die Welle austritt und wo die beiden Schalenhälften zusammengeklebt sind.
Abgesenktes Ruderblatt mit Haarriss am Wellenaustritt |
Die kranke Stelle rund um die Welle wurde daraufhin mit einem Dremel und Spitzfräser komplett freigelegt.
Im Netz werden u. A. zwei Methoden zur Sanierung delaminierter Ruderblätter vorgeschlagen:
1. Bohren einer Löchermatrix und Ausfüllen mit Epoxy-Kleber (die Quick- and-Dirty-Methode)
2. Komplettes Öffnen der betroffen Zonen, indem ein Fenster ins Ruderblat geschnitten wird, entfernen der maroden Schaummasse und neu Auffüllen, Verschließen durch Laminieren.
Beides wurde zunächst in Erwägung gezogen. Ein Probeversuche mit 3 kleineren Bohrungen zeigte, dass das Auffüllen der Bohrungen mit Epoxy kein kontrollierbarer Prozess darstellt. Das Epoxy verläuft intern irgendwo hin und nach dem Aushärten klingt der Klopftest wie zuvor.
Ein Fenster reinzuschneiden wurde nach etwas Nachdenken und Diskussion mit zahlreichen Seglerkollegen ebenfalls verworfen. Wie die Fotos weiter unten zeigen, hätte auch dies schwerlich funktioniert.
Versuchsweise wurde der elektrischen Widerstand an einer der Testbohrungen gegen die Welle gemessen. Der Wert sollte unendlich ein (bei trockenen Ruder), hier zeigte sich ein Wert von etwa 70 kOhm, also nass intern.
Messung des elektrischen Widerstandes an einer der Bohrungen gegen die Ruderwelle |
Das bringt mich auf die Idee, für spätere Überprüfungen nach erfolgter Sanierung eine V4A-Elektrode im unteren Ruderdrittel fest einzulamieren, so dass dort jederzeit zerstörungsfrei gegen die Welle gemessen werden kann è Das sollte ein Standard für jedes Ruder sein, die Kosten sind gleich Null.
Die Erkenntnis nach langem Zögern: Es gibt nur eine richtige Lösung, nämlich das Ruder komplett zu öffnen. Es nützt nichts, nur an der Oberfläche zu kaschieren. Es war eine schwere Entscheidung, wie sich jeder Eigner vorstellen kann. Aber es tut nur anfangs weh, das Ruder längsseits mit dem FEIN-Multimaster aufzusägen, dessen Investition sich spätestens jetzt bezahlt gemacht hat.
Die beiden Ruderquadranten für Steuerrad und Autopiloturden in der Achterpiek wurden demontiert und dann das Ruder abgelassen. Glücklicherweise war das Schiff hoch genug aufgebockt, so dass sich das Ruder abziehen und aus dem unteren Ruderlager ausfädeln ließ. Ansonsten wäre ein weiterer Krantermin fällig gewesen.
Dann wurde das Ruder längsseits rundum aufgesägt.
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Geöffnetes Ruderblatt mit feuchtem PU-Schaum, insbesondere am Wellenaustritt |
Das Laminat ist bereits derart weich, dass eine 1mm dicke Schicht leicht mit dem Stemmeisen abge- schabt werden kann. Das sollte Eigner, die um Wasser/Feuchtigkeit in ihrem Ruder wissen, alarmieren und beunruhigen! |
Mit der Fächerscheibe und VA-Drahtbürste wurde die Schale samt Welle gereinigt. Man erkennt die laminierten Querstäbe. Diese waren vom Hersteller lediglich in die Bohrungen der Ruderwelle ge- |
Wichtig bei der Demontage: Die genaue Position der Ruderwelle muss für die spätere Montage erhalten bleiben, deshalb wurde nur so viel Material entfernt, dass die Orginallage wieder hergestellt werden konnte. |
Freigelegtes Laminat an den Querstäben offenbart auch dazwischen liegenden PU-Schaum als weitere Schwachstelle. |
Zwischen dem Laminat und der Außenhaut an den Querstäben befand sich PU-Schaum und keine feste Laminatmasse. Entsprechende Kräfte kann der PU-Schaum niemals abstützen, wie soll das dauerhaft den Belastungen standhalten? Der Schaum war auch hier feucht und das Laminat darunter weich. Spätestens jetzt zeigte sich, dass es nur diesen Weg der Sanierung gibt.
Die Stäbe werden bis auf die allernotwendigsten Fixpunkte freigelegt. Das Reinigen erfolgt immer wieder mit Pressluft. |
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