Bereits vor einigen Jahren habe ich einen Artikel zu Installation von UKW-Seefunkgeräten veröffentlicht. Auch heute gehört er noch zu den meistgelesen Beiträgen auf dieser Webseite. U.a. vertrete ich darin die These, dass man besser keine teuren dämpfungsarmen Leitungen verwenden solle, weil diese nicht viel bringen und auf See nur Nachteile haben. Auch der Leistung des Senders und der Leistungsfähigkeit der Antenne messe ich wohl nicht die Bedeutung bei, die man von mir erwartet. Wohl deshalb erreichen mich dazu immer wieder Zuschriften von Lesern, die diese Aussagen in Frage stellen. Hakt man dann nach, stellt sich meist schnell heraus, dass nicht sie selbst die ursprünglichen Zweifler sondern Vereinskollegen, Nachbarlieger, Segelforen und vor allem Funkamateure dafür verantwortlich sind. Bei Gegenfragen von mir worauf diese Zweifel beruhen, kommen dann Antworten wie „Das weiß man doch!“, „Dafür habe ich ein Gefühl!“, „Der XY hat das gesagt.“ oder auch nur einfach „Das kann ich nicht glauben!“ Auf die Aussage „Ich habe es nachgerechnet.“ warte ich bis heute. Dabei wäre das die einzige, die mich wirklich beeindrucken würde. Dann wäre ich garantiert sofort hellwach.

Die Reichweite von UKW-Funkgeräten zu ken-
nen ist wichtig
für die Sicherheit an Bord.

Ich habe volles Verständnis dafür, wenn ein funktechnischer Laie mit einer solchen Rechnung überfordert ist. Auch ein Profi hat das zwar mal während seiner Ausbildung gelernt, macht es aber kaum noch. In der Praxis gibt er die Eckdaten in ein Simulationsprogramm, was ihm die Funkreichweite und die dazu notwendige Senderleistung als Ergebnis ausspuckt. Den allermeisten Funkamateuren und erst recht Seglern steht so etwas nicht zur Verfügung. Auch ich habe seit dem Ende meiner Berufstätigkeit keinen Zugriff mehr auf solche Geräte. Anlass für mich, das Thema mal mit einem Amateur zur Verfügung stehenden Mitteln anzugehen. Ohne ein bisschen Mathematik geht es leider nicht aber ich werde versuchen alles so zu erläutern, dass es ein technisch interessierter Laie nachvollziehen kann.

Die Frage aller Fragen ist dabei zunächst:

 

Wie weit kann ich funken?
Da sich UKW-Funkstrahlung wie optisches Licht ausbreitet, kann man ganz grob sagen „so weit, wie man sehen kann“. Jeder weiß, dass man von einem hohen Berg oder einem Turm weiter sehen kann, als wenn man unten bleibt. Beim Funk ist das genau so, je höher unsere Antenne angebracht ist umso größer ist die Reichweite. Und wenn der Funkpartner ebenfalls über eine hoch angebrachte Antenne verfügt, geht es sogar noch weiter.

Diese Funkreichweite kann man leicht berechnen. Wir Segler kennen alle die Formel mit der man die Distanz vom eigenen Standort zu einem in der Kimm gerade sichtbaren Feuer ermitteln kann. Die selbe Gleichung kann man auch benutzen um die Funkreichweite zu berechnen. Man setzt dabei ganz einfach für die eigene Augenhöhe die Höhe der eigenen Antenne ein und für die Höhe des Feuers die Antennenhöhe des Funkpartners.

   Rw = UKW-Funkreichweite [sm],
   he = Höhe der eigenen Antenne [m]
   hp = Höhe der Antenne des Funkpartners [m]

Nehmen wir mal an, wir hätten unsere Antenne auf einem 15 m hohen Mast montiert, dann könnten wir ein Motorboot mit einer Antenne in 3 m Höhe in 11,6 sm Entfernung noch erreichen, einen Frachter mit einer Antennenhöhe von 20 m in 17,3 sm und eine Küstenfunkstelle mit einer Antenne auf einem 100 m hohen Berg sogar noch über 28,8 sm. Mit einem Handfunkgerät in 2 m Höhe aus dem Cockpit wären die Reichweiten nur 6, 5 bzw. 12,2 und 23,6 sm. Daraus folgt eine wichtige Erkenntnis: Die Antenne muss so hoch wie möglich montiert werden, um die Funkreichweite zu maximieren.

Das Ganze gilt natürlich nur dann, wenn freie Sicht gegeben ist, was auf See normalerweise aber immer der Fall ist und völlig korrekt ist diese Aussage auch nicht. Wir erinnern uns, dass optisches Licht durch Brechung ein kleines bisschen über den Horizont hinaus scheint. So erahnt man ein Feuer schon, kurz bevor es in der Kimm erscheint und es dämmert auch schon vor dem Sonnenaufgang. Mit UKW-Funkstrahlung ist das genauso. Der Haken dabei ist, dass man für eine geringfügige Reichweitensteigerung erheblich mehr Sendeenergie braucht. UKW-Rundfunksender in bergigen Regionen haben z.B. einige 10 kW um auch noch Täler ausleuchten zu können und auch Funkamateuren ist selten ein Aufwand zu groß um nur wenig weiter als der Vereinskamerad zu kommen. Das ist eine Denke, die uns von Regattaseglern bekannt vorkommt. Für Fahrtensegler ist sie völlig irrelevant, da der Aufwand dafür regelmäßig nicht lohnt. Eine unter allen Umständen auf See betriebssichere Installation sollte eindeutig höhere Priorität haben. Dazu kommt, dass eine Verbindung im oben beschrieben Sichtbereich schon mit relativ kleinen Leistungen möglich ist, wie ich im nächsten Kapitel zeigen werde.

Natürlich kommen jetzt wieder einige Funkamateure und erzählen sie hätten schon Verbindungen über viel größere Entfernungen gehabt. Deshalb soll nicht verschwiegen werden, dass es manchmal durch Besonderheiten in der Ionosphäre auch zu Überreichweiten kommen kann. Das aber sehr selten und alles andere als normal, wir können das Thema bei unserer Betrachtung getrost außen vor lassen.

 

Wie viel Sendeleistung brauche ich?
Die eben berechnete Distanz ist selbstverständlich nur ein Teil der Wahrheit. Wir alle wissen, dass die Sichtweite auch vom Wetter abhängt. So gibt es Tage an denen das Feuer in der Kimm völlig klar vor einem liegt und andere an denen das Licht die Nebelsuppe kaum durchdringt. Dann hängt alles davon ab wie hell das Feuer strahlt. Bei Funk ist das nicht anders.

Ein anderes Beispiel macht es vielleicht deutlicher: Nehmen wir mal an, zwei Personen stehen sich in einigem Abstand gegenüber. Person A ruft Person B eine Information zu. Die Information verlässt den Mund von A und wird auf dem Weg immer weiter abgeschwächt, bis sie schließlich am Ohr von B ankommt. Ob sie richtig verstanden wird hängt vor allem davon ab, ob sie bei Person B noch laut genug ankommt. Ist das nicht der Fall bleiben zwei Möglichkeiten. Entweder A brüllt lauter oder B spitzt die Ohren besser um die gleichbleibende Abschwächung des Schalls auf dem Weg zu überwinden. Kam die Information dagegen schon vorher laut genug an, kann A auch leiser sprechen solange bei B noch genügend für eine einwandfreie Verständigung ankommt

Bei unserem Funksignal ist das prinzipiell genau so. Das Signal wird von der Antenne des Senders abgestrahlt und schwächt (Der Fachmann spricht von Dämpfung.) sich auf dem Weg immer weiter ab bis es schließlich beim Empfänger ankommt. Ist es zu schwach muss man die Sendeleistung erhöhen oder den Empfänger empfindlicher machen, oder auch beides. Ist es dagegen stark genug, kann man ohne Schaden auch die Sendeleistung zurücknehmen solange noch genügend Energie beim Empfänger ankommt.

Die notwendige Sendeleistung um eine Distanz zu überbrücken kann man berechnen. Dank der genialen Messgröße dB ist das sogar sehr einfach mit Addition bzw. Subtraktion durchführbar. (Siehe dazu: Was ist ein dB?) Für unser Problem UKW-Funk auf Sichtverbindung führen wir das jetzt mal beispielhaft durch.

Dazu geben wir die Leistung nicht wie sonst üblich in Watt sondern in dB genauer in dBm an. Wir definieren 1mW = 0 dBm. Jeweils 3dB entsprechen einer Leistungsverdopplung bzw. –halbierung. 2 mW wären also 3 dBm, 4 mW 6dBm, 8 mW 9dBm usw. Umgekehrt entsprechen dann 10 dBm 10 mW, 20 dBm 100 mW und 30 dBm dem einen Watt eines Handfunkgerätes. Die 25 W Sendeleistung eines üblichen Seefunkgerätes wären damit 44 dBm. Wer nicht selbst umrechnen möchte, muss auch nicht verzagen. Andere haben das für ihn schon gemacht und entsprechende Tabellen erstellt. (bspw. hier)

Um zu ermitteln wie empfindlich ein Empfänger für UKW-Seefunk ist, wirft man am besten mal einen Blick in die technischen Daten eines typischen Funkgerätes. In Sachen Empfängerempfindlichkeit (Sensitivity) findet man dort in der Regel so etwas wie „0,5 µV für 20 dB SINAD“. Das beutet: Um am Lautsprecher des Gerätes ein Signal zu erzeugen, das 100 mal (20 dB) stärker ist als das geräteeigene Rauschen muss am Antenneneingang ein Signal von 0,5 µV (millionstel Volt) anliegen. Da der Eingangswiderstand (50 Ω) bekannt ist, kann man daraus die Leistung in W oder dBm ausrechen bzw. wieder in einer Tabelle nachschlagen. Für dieses Beispiel ist der Wert -113 dBm. Damit können wir rechnen, die Empfindlichkeit der gängigen Geräte ist in etwa gleich.

Die Differenz zwischen den 44 dBm des Senders und den -113 dBm des Empfängers beträgt damit 157 dB. Das ist der Wert, um den sich das Sendesignal abschwächen dürfte und trotzdem am Empfänger noch mit ausreichendem Pegel ankommen würde, eine enorme Größenordnung, der sonst nur Homöopathen etwas abgewinnen können.

Dem gegenüber steht die reale Dämpfung, die man auch berechnen kann. Allerdings ist das eine komplizierte Sache, da alle möglichen Dinge eingehen. Normalerweise benutzt man deshalb dafür Rechnerprogramme. Für unseren Sonderfall der freien Sicht ist es aber auch wieder nicht so kompliziert, dass man das nicht zu Fuß machen könnte. Einflüsse wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit kann man getrost vernachlässigen und erhält dann Werte die bei üblichen Distanzen in der Größenordnung von 100 bis 115 dB liegen. (Zweifler können gern nachrechnen, hier findet man z.B. eine Anleitung wie es geht.) Daraus und der maximal zulässigen Dämpfung ergibt sich dann eine Systemreserve von ca. 40 dB, die anderweitig verbraucht werden kann. Anderweitig heißt Verluste durch Koaxkabel, Stecker, nicht richtig angepasste Antenne, etc.

40 dB ist eine Menge Holz. Immerhin bedeutet das, entstünden wirklich keine anderweitigen Verluste, eine Sendeleistung von ca. 3 mW ausreichen würde, um am Empfänger immer noch eine genügend große Feldstärke für einwandfreien Empfang zu erzeugen. Soweit wird man es natürlich nicht treiben aber es ist leicht einzusehen, dass zusätzliche Verluste bis zu etwa 25 dB überhaupt kein Problem darstellen. Entgegen von an Seglerstammtischen bzw. deren virtuellen Form den Internetforen immer wieder geäußerten Meinungen gibt es deshalb überhaupt keinen Grund extrem dämpfungsarme Leitungen und Steckverbinder zu benutzen, insbesondere dann nicht, wenn dies zu Lasten der Betriebssicherheit gehen würde.

Auch dazu mal ein Beispiel: Schlechtes Kabel wie das bei Funkamateuren verpönte RG 58 hat bei 160 MHz eine Dämpfung von ca. 18,5 dB/100m. Wenn man eine Länge von 20 m bis zur Antenne braucht sind das 3,7 dB. Selbst wenn man unterstellt, dass die Gegenstation genauso schlechtes Kabel nutzt, wären das in Summe nur 7,4 dB. Noch ein paar Stecker dazu, lass es in Summe vielleicht 10 dB sein. Na und? Natürlich ist das effektiv nur noch ein Zehntel der Sendeleistung, aber immer noch weit mehr als genug. Auch über Toleranzen bei den Leistungsangaben (bspw. Sendeleistung ± 3dB) muss man sich immer noch keine Gedanken machen. Im Gegensatz zu vielen Amateuren wissen die Gerätehersteller was sie tun. So werden mit Kabel konfektionierte Antennen durchweg mit RG58 und Funkgeräte immer mit SO-Buchsen ausgeliefert. Natürlich hat das auch Kostengründe, denn Hersteller neigen im Allgemeinen nicht dazu unnötig Geld auszugeben. So gut wie nötig und nicht wie möglich, heißt aus gutem Grund deren Devise.

Puristen wie auch Leute, die obige Überlegungen nicht gemacht haben, bestehen dagegen immer wieder auf Kabel wie Aircell oder Ecoflex. Aircell 7 hat bei 160 MHz 8 dB/100m und Ecoflex 10 sogar nur 4,8 dB/100m Dämpfung und weißt damit nur die Hälfte bzw. ein Drittel der Verluste von RG 58 auf. Kann man machen, muss man aber nicht, wie ich gezeigt habe. Darüber hinaus sollte man wissen, dass Kabel wie Aircell und Ecoflex ihre guten Werte alle mit einem Luftdielektrikum erkaufen. Bei nicht fachgerechter Montage neigt das dazu, sich über Kapillarwirkung mit Wasser vollzusaugen. Natürlich montieren Segler alle fachgerecht, aber warum habe ich dann schon so viele „abgesoffene“ Koaxkabel auf Booten gesehen? Kabel mit PE-Dielektrikum wie RG 58 oder RG 213 sind gegenüber Feuchtigkeit sehr viel resistenter, auf einem Boot ein unschätzbarer Vorteil. Allein deshalb würde ich sie unbedingt vorziehen.

 

Welche Antenne soll ich nehmen?
Auch darüber, insbesondere über den sogen. Antennengewinn, entstehen immer wieder Diskussionen. Dazu ist zunächst erst einmal zu sagen, dass auch Antennen nicht zaubern können. Gewinn auf der einen bedeutet immer Verlust auf der anderen Seite. Antennengewinn wird durch schärfere Bündelung der Strahlung erreicht, was auf Booten einerseits unnötig ist und andererseits sogar Nachteile haben kann.

 
 Antenne mit Gewinn
 
 Standarddipol

Horizontale Bündelung scheidet auf einem sich bewegenden Boot von vornherein aus, das muss nicht ernsthaft diskutiert werden. Die Rundstrahlung bleibt nur erhalten, wenn man in vertikaler Richtung bündelt. Die Strahlung wird dabei zu Lasten der Abstrahlkeule die enger wird, stärker. Das wiederum kann Nachteile bei Krängung des Bootes haben. Warum dann überhaupt Antennengewinn, wenn der in Praxis auf dem Boot eher Nach- als Vorteile hat? Die einzige für mich logische Erklärung ist, dass „Antennengewinn“ wohl ein Argument ist, mit dem man unbedarften Nutzern etwas verkaufen kann. Dafür spricht auch, dass es oft keine Angaben gibt gegen was der Gewinn gemessen wurde. Gut macht sich von daher immer ein Isotropstrahler, der definitionsgemäß völlig gleichmäßig in alle Richtungen kugelförmig strahlt. Der ist aber lediglich ein gedachtes Vergleichsgebilde, welches es in der Realität gar nicht gibt. Dem gegenüber hat ein gängiger Dipol schon 3 dB Gewinn, was sich natürlich in den Verkaufsprospekten sehr gut macht. Korrekt müsste die Angabe deshalb dBi heißen, das „i“ wird aber gern unterschlagen. Man könnte als Gewinnangabe genauso gut 0 dBd schreiben. Damit ist klar, dass der Bezug ein Dipol ist. Beides ist technisch ein und das Gleiche, aber gegenüber unwissenden Käufern keineswegs gleich eindrucksvoll.

 

Ein ca. 1 m langer Dipol im Masttop hat
sich für UKW-Seefunk
bewährt und
garantiert optimale Reichweite.

Zusammenfassung
Für uns Segler ist die optimale Antenne ein etwa 1 m langer in der Mastspitze montierter Dipol. So lange die Masthöhe 15 m nicht übersteigt reicht billiges RG 58 Koaxialkabel mit PE-Isolierung völlig aus. Darüber nimmt man das dickere RG213 ebenfalls mit PE-Dielektrikum. PE hat gegenüber einem Luftdielektrikum den Vorteil, dass es wesentlich resistenter gegen eindringendes Wasser ist, was bei nicht ganz korrekter Verarbeitung leicht passieren kann. Steckverbinder an Deck sollten möglichst vermieden werden. Da die zusätzliche Dämpfung durch Steckverbindungen, sich in der Praxis nicht nachteilig auswirkt, kann durchaus auf kleinbauende Koaxstecker zurückgegriffen werden. Sie sollten aber mechanisch zum verwendeten Kabel passen.