Sonnenkollektoren 4/4 Praxis
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- Veröffentlicht: Montag, 28. Januar 2013 11:03
- Geschrieben von Martin Erger
Wenn sie sich entschlossen haben ihre Stromversorgung um Solarkollektoren zu erweitern, beginnen die meisten Segler sich zunächst Gedanken über einen geeigneten Montageort zu machen und suchen danach den Kollektor aus. Wenn man dabei gleichzeitig im Hinterkopf konkrete Vorstellungen über den Leistungsbedarf hat, ist diese Vorgehensweise grundsätzlich richtig. Eine gängige Faustregel besagt, das man in Nordeuropa bei horizontaler Montage etwa die vierfachen Wh/d der Spitzenleistung eines Moduls erwarten darf. Ein 100 W-Modul erzeugt demnach 400 Wh (≈ 30 Ah) am Tag. Am Mittelmeer darf man diesen Wert mit 1,5 in den Tropen sogar mit 1,8 multiplizieren. Bei einem eigenen Bedarf von 100 Ah, was in etwa dem normalen Tagesverbrauch einer 10 -12 m Segelyacht im Mittelmeer entspricht, braucht man demzufolge einen 220 W (Mittelmeer) Kollektor, was einer Fläche von etwa 2 m2 entspricht. Diese Fläche gilt es unterzubringen, was in der Praxis zumindest schattenlos gar nicht so einfach ist.
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In diesem Heckträger ist oben der Kollektor und unten Kockpitbeleuchtung und eine Dusche ein- gebaut. |
Vier flexible Module mit einer Gesamtleistung von 180 W auf dem Bimini, der einzigen freien Fläche auf dem Boot des Autors. |
Oft sieht man die Kollektoren auf einem Heckträger montiert. Der Vorteil damit billige Rahmenmodule verwenden zu können, wird, zumindest dann, wenn man den Träger nicht auch noch für andere Dinge benutzt, leider schnell durch dessen Kosten wieder aufgefressen. Außerdem ist solch ein monströses Ding selten eine Zierde für das Boot. Wohl deshalb gehen andere hin und pflastern jede freie Stelle an Deck mit kleinen, biegsamen, begehbaren, auf einer dünnen Metallplatte aufgebrachten Zellen, die wiederum deutlich teuer sind. Eine Standardlösung gibt es nicht und man muss sich für jedes Boot etwas neues einfallen lassen.
Wie auch immer, wenn man nicht gerade einen Katamaran oder sonst ein Boot mit großem Deck hat, kommt sehr schnell die Erkenntnis, dass man die Fläche, die man eigentlich brauchte, gar nicht unterbringen kann. Dies wird spätestens dann klar, wenn einem der Batteriemonitor unerbittlich das Ergebnis seiner Bemühungen vor Augen hält. Dann findet man sich entweder damit ab, sucht nach anderen Quellen z.B. einem Windgenerator und/oder beginnt darüber nachzudenken wie man das System tunen kann, um den Wirkungsgrad zu verbessern. Damit wird auch klar, warum ich mich in den vorangegangenen Kapiteln so langatmig über die technischen Hintergründe ausgelassen habe.
Erste und einfachste Maßnahme ist, soweit man sich nicht gleich dafür entschieden hatte, den vorhandenen Regler gegen einen MPPT auszutauschen. Der wiederum braucht um wirklich etwas zu bringen eine möglichst hohe Spannung am Eingang. Logischer nächster Schritt ist deshalb nach "Spannungsfressern" im System zu suchen, die man schnell in hoher Betriebstemperatur und Leitungswiderständen ausmacht. Die Kollektortemperatur zu senken ist unter der sengenden Sonne des Mittelmeeres schwer. Da der geringste Schatten schon kontraproduktiv ist, bleibt nur mit einer möglichst guten Lüftung für Kühlung zu sorgen. In den meisten Fällen wird man sich wohl damit abfinden müssen, nicht viel tun zu können. Dagegen sind Leitungswiderstände leicht zu reduzieren. Wie viel ein größerer Drahtdurchmesser bringt, habe ich ausführlich erläutert. Im Zweifel gilt so groß wie möglich!
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Parallelschaltung |
Reihenschaltung |
Oft wird man mehr als ein Modul brauchen. Module kann man parallel aber, wenn der Regler wie die meisten MPPT das kann, auch in Reihe schalten. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile aber auch ihre Tücken.
Bei parallel geschalteten Modulen addieren sich deren Ströme, was bei den Leitungswiderständen beachtet werden muss. Für optimale Arbeit müssen nicht alle Module gleich sein aber der Spannungsverlauf der Kennlinien. Dies ist normalerweise dann der Fall, wenn die Leerlaufspannung (VOC) gleich ist. Wird ein einzelnes Modul teilw. abgeschattet, ist dieses normalerweise nicht mehr an der Stromerzeugung beteiligt. Anders bei seriell in Reihe geschalteten Modulen, dann addieren sich die Spannungen, während der Strom dagegen gleich bleibt. Von daher macht das nur Sinn, wenn auch der Regler (normalerweise ein MPPT) dafür ausgelegt ist. Vorteil ist, dass im Gegensatz zur Parallelschaltung an der Leitung kein höherer Spannungsabfall entsteht, was den Wirkungsgrad der Gesamtschaltung deutlich verbessern kann. Voraussetzung für eine Reihenschaltung ist, dass der Stromverlauf der Kennlinien gleich ist. Das ist dann der Fall, wenn der im Datenblatt angegebene Kurzschlussstrom gleich ist. Ist das nicht der Fall, reduziert sich der Strom auf den des kleinsten Moduls. Bei einer auch nur stellenweise Abschattung fällt deshalb meistens die ganze Erzeugung aus. Wer sich nicht ganz sicher ist zu wissen was er tut sollte deshalb sowohl bei Parallel- als auch bei Reihenschaltung und erst recht bei Kombinationen aus beiden nur gleiche Module verwenden.
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Solarmodul zum Einklappen an der Reling. (gesehen auf der Boot 2013) |
Oft reicht auch mit diesen Tricks die Kollektorfläche nicht aus um autark zu werden. Segler sind kreative Leute und so fehlt es nicht an Ideen die Kollektorfläche zu vergrößern. Eine dieser Möglichkeiten ist bspw. zusätzliche Kollektoren an der Reling zu befestigen um diese bei Bedarf auszuklappen. Mich haben solche Lösungen bisher nicht überzeugen können. Auf See klappern diese Module an der Reling und Hafen sind sie extrem gefährdet, wenn ein Boot auf dem Nachbarplatz anlegt.
Eine andere Möglichkeit sind extrem flexible, ausrollbare Module, die man z. B. über das aufgetuchte Segel auf den Baum legt. Solche Module sind derzeit nicht nur sehr teuer sondern oft auch noch anfällig gegen mechanische Beschädigungen. Möglicherweise ist das aber der Weg in die Zukunft und in einigen Jahren haben wir Module, die wie Farbe auf Deck oder die Segel aufgespritzt wird. Schau'n wir mal, was die Zukunft bringt.